Kettenbriefe, Hoax und anderes

In der letzten Zeit häuft sich mal wieder ein Facebook-Post, bei dem der Poster sich auf einen Facebook-Algorithmus bezieht, der angeblich nur noch 25 Freunde sichtbar lässt. Man möge doch ein “Hallo” hinterlassen, den Text kopieren und auf der eigenen Timeline einfügen – und schon habe man den Algorithmus ausgehebelt.

20180927_171828-Bearbeitet-Bearbeitet-1Wir zwei – ich, der Waschbär und mein Freund, der Fuchs – haben recherchiert und herausgefunden, dass das gar nicht stimmt!

Die zwei haben stundenlang meinen Laptop lahmgelegt und ich hatte die ganzen Fusseln auf der Tastatur! Aber Recht haben sie natürlich: Das mit den 25 Freunden ist in der Tat falsch.

Wahr ist, dass Facebook Anfang 2018 die Anzeige in der Timeline geändert hat – den “Algorithmus” haben sie umgestellt. Der Algorithmus ist die Berechnung oder (stark vereinfacht) Programmierung für die Facebook-Seite. Wie genau dieser Algorithmus jetzt aussieht, wissen nur die Facebook-Programmierer. Ändern können wir Anwender den Algorithmus gewiss nicht. Er arbeitet immer gleich, egal, was wir posten oder nicht posten.

Die Änderung soll dazu führen, dass man irgendwie mehr von X und weniger von Y sehen sollte. Ich habe keinen Unterschied bemerkt. Ich sehe nach wie vor alle Bekannten und Freunde, mit denen ich viel kommuniziere und die Nachrichten aller Seiten, die mich interessieren.

Auf keinen Fall führt es dazu, dass man nur noch von 25 Freunden Meldungen sieht – von welchen 25 denn auch? Zudem ist Facebook daran interessiert, dass möglichst viele Menschen mit möglichst vielen anderen Menschen verbunden sind – umso besser lässt sich Werbung streuen.

20180928_153822Hoho! Wenn wir nur 25 Menschen sehen und erreichen, dann können ja nur die 25 “Hallo” schreiben. Darüber können wir zwei nur kichern.

Die zwei haben gut lachen! Aber was muss man tun, um möglichst viele Meldungen von möglichst vielen Leuten zu sehen? Interagieren!

  • Liked die Beiträge der Freunde oder Seiten
  • Kommentiert
  • Schreibt in die Chroniken
  • Antwortet

Je mehr Aktion Ihr mit einer Seite/einem Freund habt, desto höher steigt diese Seite/dieser Freund im Ranking – weil Ihr alle den Algorithmus so gerne habt: der Algorithmus sorgt dafür, dass Seiten mit viel Interaktion von Euch vor denen angezeigt werden mit wenig oder keiner Interaktion.

Der Fuchs hat gelesen: Das Posting ist ein Hoax. Mensch, erklär doch mal, was ein Hoax ist!

Auch wieder richtig: “Hoax” kommt aus dem Englischen und bedeutet “Scherz” oder “Falschmeldung”. Im Deutschen würden wir sagen, dass Ganze ist eine Ente. Hoaxe gab es schon lange vor Facebook & Co. Früher wurden sie per Mail verbreitet, davor gab es Kettenbriefe auf Papier. Ein Hoax hat immer

  • die Aufforderung, diesen Text an viele Leute weiterzuleiten (kopiere den Text!),
  • er ist zeitlich unbestimmt (gestern, heute morgen, am Freitag),
  • die Quelle ist nicht eindeutig (kam in den Nachrichten, wurde von der Polizei bestätigt, die Kusine meiner Friseuse kennt jemanden, dessen Onkel in einer Klinik arbeitet und der hat gehört, …)

Oft kommt ein Hoax als Warnung daher – vor Viren, vor Hundefängern, vor weißen Kastenwagen, vor Zetteln am Auto, vor Gift in einer Fressnapfwerbung. Viele drücken auf die Tränendrüse: Knochenmarkspender gesucht, ein Amen senden für einen Kranken, Geburtstagsgrüße für ein Mädchen ohne Beine. Andere Hoax versprechen Gewinne oder werben für Online-Petitionen (Regenwald-Petition, Rettung der Delfine, gegen Katzenquälerei in China). Auch die Urban Legends zählen dazu (Kindsentführung im Supermarkt, eklige Lotusblume unter der Achsel).

Verbreitet werden die Hoax heute in erster Linie via Facebook und WhatsApp. Mails haben früher eine große Rolle gespielt, das wird aber bedeutend weniger.

Unsere Freunde trauen sich bestimmt nicht mehr, uns sowas weiterzuschicken. Mein Mensch hat dann immer gaaaaanz lange Erklärungen zurückgeschrieben – das wollte keiner mehr lesen!

Was tun, wenn man aufgefordert wird, Nachricht X oder Meldung Y an viele weiterzuschicken oder auf der eigenen Timeline zu posten? Zuerst einmal überlegt, wie vertrauenswürdig diese Nachricht ist

  1. Wer ist der Originalposter, welche Interessen verfolgen er oder sie wohl mit diesem Text? Man ein Facebook-Mitglied ist einfach “likegeil” – boah, 237.999 haben diesen Text geliked, bin ich cool!
  2. Von wann ist diese Meldung ursprünglich? Kann man irgendwo ein konkretes Datum sehen – Jahreszahl, Monat? Ein krankes Kind von 2001, das sich über ganz viele Mails freut, ist entweder schon lange nicht mehr krank oder weilt mittlerweile nicht mehr unter uns.
  3. Wo spielt die Geschichte? Wird ein Land, eine Stadt genannt? Den Katzenquäler aus Chile müssen wir wohl kaum in Deutschland anprangern und suchen.
  4. Was will dieser jemand von mir? Soll ich irgendwo meine Mailanschrift eintragen, meine Adresse, mein Geburtsdatum, den Namen meiner Kinder? Statt an einem Gewinnspiels nehmt Ihr an einer Datensammlung teil!

Außerdem solltet Ihr tief in Euch gehen, bevor Ihr einen Text weiterleitet und Euch selber diese Fragen beantworten:

  1. Ändert sich was, wenn ich diesen Text weiterleite oder poste?  Beruhige ich nur mein Gewissen mit einem bequemen Lehnstuhl-Aktivismus? Lasst Euch nicht unter Druck setzen – auch wenn das man angeblich den Kampf gegen Brustkrebs unterstützt oder Delfine rettet.
  2. Wie wahrscheinlich ist es, dass irgendwer Geld an irgendwen überweist, weil irgendjemand anderes “Like” anklickt? Wie wahrscheinlich ist es, dass irgendeine Firma ein sündteures Gerät schier verschenkt, nur weil es falsch eingepackt wurde?
  3. Wie würdet Ihr Euch fühlen, wenn Euer Foto oder das Eures Kindes mit blaugeschlagenen Augen oder schweren Verletzungen jahrelang immer wieder in Facebook geteilt wird? Unabhängig davon, ob die Geschichte zu diesem Foto überhaupt stimmt.

Und damit noch eines: Bitte teilt keine privaten Fahndungsaufrufe. Das ist erstmal schlicht verboten. Zum zweiten weiß keiner von uns, ob diese Person tatsächlich verschwunden ist und warum. Vielleicht hat der “Verschwundene” sehr gute Gründe. Oder es ist nur ein Missverständnis. Oder der “Verschwundene” ist schon lange wieder da. Die Polizei darf das und auf ihre Fahndungsaufrufe kann man verweisen.

Ansonsten:

Recherchieren – tippt einfach mal die ersten Worte in eine Suchmaschine Eurer Wahl, meistens sind die Texte so alt und haben sooooo einen langen Bart, dass sich schon viele der Aufklärungsseiten darüber hergemacht haben.

Direkte Suchseiten sind:

Im übrigen: ich habe auch schon den einen und anderen Fehler gemacht und ein dubioses Gewinnspiel angeklickt (zum Glück ohne Folgen), mich moralisch unter Druck setzen lassen und Texte weiterverbreitet (die ich bei genauem Nachdenken bestimmt nicht geteilt hätte) oder meinen Namen unter eine Petition gesetzt, die bloß im Papierkorb gelandet ist und nichts, aber auch gar nichts bewirkt hat. Ich habe danach angefangen, über dieses Problem zu lesen und bin misstrauischer geworden.

In diesem Sinne: informiert Euch oder schafft Euch einen Waschbären an, der das für Euch tut!

Viele Grüße
Waschbär, Fuchs und Pia

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