Der Waschbär postet: Auf nach Dorsten!

20180705_194559-1Ich habe einen neuen Rucksack, extra für die vielen Bahnfahrten. Jetzt kann ich endlich alles für mich einpacken: Brotzeit und so. Schick, nicht?

Zu nachtschlafender Zeit ist es heute losgegangen. An einem Samstag sind wir um 5:30 Uhr aufgestanden, damit wir um 6:45 am Bahnhof sind. Mein Mensch spinnt! Mir soll es egal sein, ich kann in der Tasche schlafen.

Wir sind pünktlich losgefahren, die Sonne scheint, mein Mensch hat Kaffee und ich habe die Zeit, Leute zu beobachten.

Immer spannend ist das fröhliche Platznummernsuchen. Es geht eigentlich schon früher los: das fröhliche Wagennummernsuchen.

An einem ICE steht die Wagennnummer draußen dran, damit man sie sieht, wenn man  so am Zug vorbeigeht. Schließlich soll ja jeder sehen, wo er einsteigen muss. Allerdings haben die Wagennummern-Displays die Größe von Briefmarken, jedenfalls sind sie sehr sparsam dimensioniert. Lesen kann man das erst, wenn man mit der Nase davorsteht. So ein Zug hat doch eine riesengroße Fläche – warum müssen die Nummern dann so winzig sein? Zumindest sind die Wagen durchnummeriert. Fängt mit 21 an und hört mit 29 auf oder geht von 31 bis 39. Die sind nicht durcheinander, sondern richtig hintereinander. Gucken muss Mensch nur, ob die 21 vorne oder hinten ist.

ICE GroßraumIm Wagen  wird’s dann kompliziert. Stell Dir vor, Du hast Platz 95. Du wanderst also den Gang entlang: 81, 83, 87, 85 … ok, also noch 10 Plätze weiter. Zehn Plätze weiter bis Du aber zu weit, also wieder zurück. 92,  94, 98, 96 – wo zum Kuckuck ist 95? Das muss doch zwischen 94 und 96 sein – aber da ist 98 und davor ist der Gang. Deine 95 ist vor der 96, hinter der 86 und neben der 97 – logisch, oder?

Wer kommt auf so eine verquere Nummerierung? Da ist ja eine Waschbären-Spürnase gefragt! Was tut ein Mensch ohne Waschbär?

 

Warum das so ist, habe ich mir von einem Bahnkundigen erklären lassen.

EICE Kutsche s war einmal vor langer Zeit ein Zug, der hatte nur Abteile. In diesen Abteilen saßen sich die Menschen gegenüber und guckten sich an. Das war so, weil der Zug wie eine Kutsche gebaut wurde. Hoch auf dem gelben Wagen, der Kutscher blies ins Horn, die Pferde zogen an – und so. Beim Zug kam dann Dampfmaschine und Schaffner, aber sonst blieb alles beim  Alten.

Die zwei Plätze an der Türe waren 81 und 82 – gegenüber am Gang. Die zwei am Fenster waren 83 und 84 – auch gegenüber am Fenster.

Zu Zeiten der Postkutsche war das also eine Nummerierung, die man verstehen konnte. Aber Hühott und Brrrr und Posthorntuten sind lange vorbei. In einem itzo üblichen ICE guckt man sich nicht länger an, sondern starrt auf die Rückenlehne des Vordermannes oder der Vorderfrau (was nicht unbedingt ein Nachteil ist). Ein Reisender ohne Postkutschenerfahrung denkt nicht in Kutschendimensionen, sondern in Reihen – wie im Flugzeug: 81 und 82 nebeneinander und nicht hintereinander.

So kann man heute in jedem  Großraumwagen bewundern, wie Mensch seinen Platz sucht. Leise die Platznummer vor sich hin murmelnd ziehen Heerscharen durch die Großraumwagen. Anfangs dachte ich, die Menschen beschwören den Geist des ICEs.

20180707_071302Meistens sind die Platznummern  oben über dem Fenster angebracht. In Briefmarkengröße. Das führt dann dazu, dass Menschen (ich glaube, alle Menschen sind kurzsichtig!) mit zusammengekniffenen Augen die Displays anstarren. Da Anstarren nicht viel hilft, rücken sie dem Display näher und dem Menschen, der da eventuell schon sitzt und sich jetzt sehr bedrängt fühlt. Ich als Kleinbär aus der Familie der Raubtiere finde das nicht gut, ich muss dann fauchen und kratzen und beißen. Zum Glück beschützt mein Mensch mich.

Ich kann Euch aber trösten: die neuen ICEs haben die Platznummern in den Ohren der Sitze. Also diese Dinger, die so links und rechts an der Lehne rausgucken und wie aufgestellte Waschbären-Ohren aussehen. Das ist praktischer, wenn man das schon kennt. Augenblicklich führt das aber dazu, dass alle auf die nicht vorhandenen Displays über dem Fenster starren.

Noch ein Tipp vom reiseerfahrenen Waschbären: lasst Euch nicht irremachen, wenn Euer gebuchter Platz (von  München bis Essen) zwischendrin noch eine weitere Buchung hat. Zum Beispiel von Frankfurt bis Köln. Das könnte zwar eng werden, wenn das wirklich so wäre. Ist aber nie so. Ist nur eine fehlerhafte Anzeige. Es gibt drei Anzeigen: gar keine, eine fehlerhafte und die richtige. Meistens gibt es keine Anzeige oder “ggf. reserviert”. Das heißt “gegebenenfalls reserviert” und ist genauso gut oder blöd wie gar keine. Da kann man sich dann was ausdenken, wann der Fall gegeben ist, dass reserviert ist. Am zweithäufigsten steht was Falsches da. Ist aber noch nie einer gekommen, der sich meinem Menschen auf den Schoß setzen wollte. Ganz selten steht es richtig.

So, jetzt müssen wir das zweite Frühstück genießen, mein Mensch will lesen und ich ziehe mich zurück in meine Tasche und schlafe noch ein Stündchen.

Tschüss bis zum nächsten Post

Euer Waschbär

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